Die Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen haben der Digitalisierung großen Vorschub geleistet – das ist keine Frage. In der Heizungsindustrie bleibt der Vertrieb aber auch in Pandemiezeiten ein Stück weit ein „Nasengeschäft“. Das hat der Hersteller Remeha aus Emsdetten rechtzeitig erkannt und für seine Hauptmesse, die ISH in Frankfurt, eine Hybrid-Lösung aus digitaler 3D-Welt und geführten Messerundgängen via Microsoft Teams entwickelt. Mit nachhaltigem Erfolg.
Die ISH in Frankfurt ist die Weltleitmesse für Wasser, Wärme und Klima. Die Fachmesse findet nur alle zwei Jahre statt. 2019 zogen mehr als 2.500 Aussteller knapp 200.000 Besucher an. Die Bilanz der digitalen Ausgabe vom 22. bis zum 26. März 2021 klingt dagegen ernüchternd: 373 Aussteller meldete der Veranstalter sowie knapp 69.000 Teilnehmer. Die Teilnehmerzahl müsste noch um die Anzahl der auf der digitalen Messe registrierten Ausstellervertreter reduziert werden. Das waren allein bei Remeha zum Beispiel mehr als 50.
In Erwartung dieses recht überschaubaren Messeerfolges auf der digitalen ISH hat sich Remeha gemeinsam mit seiner Schwestermarke Brötje, beide Teil der internationalen BDR Thermea Group, etwas Besonderes ausgedacht. Parallel zur Präsenz auf der digitalen Version der ISH wurde eine eigene virtuelle 3D-Welt als begeh- und erlebbarer Showroom entwickelt. Genau wie zu „normalen“ Messen in pandemiefreien Zeiten lud das Vertriebs-Team bestehende und potenzielle Kunden und Partner ein. Diese konnten sich per E-Mail für den Messebesuch registrieren und die 3D-Welt selbstständig erkunden, oder – und das war das vorrangig ausgegebene Ziel von Remeha – sie konnten in geführten Teams-Meetings gemeinsam mit den Vertriebsmitarbeitern und Experten den virtuellen Messestand besuchen. Im persönlichen Gespräch konnten so Produktneuheiten präsentiert, konkrete Rückfragen direkt beantwortet und auch spezielle Messeangebote unterbreitet werden. Alles wie auf einer richtigen Messe. Registrierte Besucher, die die Remeha-Welt allein erkundeten, konnten über eine Chat-Funktion – in Corona-freien Zeiten der Service-Desk eines Messestandes – Fragen stellen und sich an einen Experten vermitteln lassen. Dieser übernahm dann per Microsoft Teams. Dazu gab es Video-Tutorials und -Interviews sowie ein Video-Live-Studio, aus dem heraus in Echtzeit Fragen der Besucher beantwortet wurden. Die Fragen konnten über ein Eingabefeld in der 3D-Welt gestellt werden.
Mehr Besucher, mehr Umsatz
„Ich war anfangs selbst skeptisch“, verrät Remeha-Vertriebsleiter Franz Killinger. Und ergänzt: „Insbesondere, was die Umsetzungszeit und die Bereitschaft zum Besuch von digitalem Content im Handwerk angeht. Als wir im Dezember die Entscheidung getroffen haben, etwas Eigenes zu entwickeln, dachte ich, das schaffen wir nicht bis Mitte März. Und es wurde auch am Ende mit der heißen Nadel gestrickt, aber wir haben es geschafft und als Team eine mehr als erfolgreiche Messezeit erlebt.“ Anders als die offizielle digitale ISH öffnete Remeha seine 3D-Welt bereits eine Woche vor dem offiziellen Messezeitraum (22.-26. März) und hält die Plattform aufgrund des durchschlagenden Erfolgs bis heute geöffnet. „So viele Besucher hatten wir noch nie und auch die Umsätze, die aus den Teams-Meetings entstanden sind, liegen über unseren bisherigen ISH-Ergebnissen“, zieht Franz Killinger Bilanz. Räumt allerdings auch ein: „Zur physischen Messe nach Frankfurt reisen unsere Kunden oft nur aus einem Radius bis zu 300 Kilometern an. Nun hatten wir die Möglichkeit, wirklich alle zu erreichen. Das hat funktioniert. Wichtiger als die nackten Zahlen war für uns aber auch das Erlebnis, wieder von Angesicht zu Angesicht mit unseren Kunden ins Gespräch zu kommen. Das war ein tolles Erlebnis und hat uns auch als Unternehmen in Sachen Digitalkompetenz ein großes Stück weitergebracht.“
Virtueller Presseabend
Hochwertig produzierter Content, eine zeitgemäße, aber dennoch zielgruppengerechte Aufbereitung und das Knowhow von gestandenen Produkt- und Vertriebsprofis – der Mix aus neuen Medien und persönlichem Kümmern war es, der bei den Kunden so gut ankam. „Wir hatten durchweg positives Feedback“, freut sich Franz Killinger über die erfolgreiche digitale Messe. „Auch wenn es anfangs hier und da Bedenken und auch kleinere technische Probleme gab, so waren am Ende alle begeistert.“ Auch die Fachpresse war voll des Lobes. Remeha lädt die Fachpresse traditionell am ersten Messeabend zu Fachgesprächen und gemütlichem Beisammensein ein. So auch in diesem Jahr: Mit den Einladungen wurden Snacks und Getränke verschickt, sodass einem gemütlichen Pressetalk im eigens dafür eingerichteten virtuellen Gastraum mit Bar und Live-Band nichts mehr im Wege stand.
Überzeugt hat Remeha die Presse und Fachbesucher jedoch nicht nur durch seine Digitalkompetenz. Auch die innovativen Produkte von der Brennstoffzellenheizung über Wärmepumpen, Hybrid-Lösungen und Systemlösungen für Gewerbe und Industrie kamen bei den Besuchern gut an. Für 2023 plant Remeha wieder einen echten Stand auf der Messe Frankfurt ein. Aber, so Franz Killinger: „Wir werden den eingeschlagenen Weg sicher weitergehen und auch künftig digitale Vertriebskanäle intensiv nutzen.“ Und so hat jede Krise eben doch auch etwas Gutes.